Aberglaube und Esoterik

 

 

 

Esoterik ist die Metaphysik der dummen Kerle.

 

Theodor W. Adorno

 

Die Versteifung auf Esoterisches ist der hilflose und klägliche Versuch,

sich durch subjektive Evidenzerlebnisse ein vermeintliches Wissen anzumaßen,

das aufgrund seiner Innerlichkeit nicht diskursiv erörtert und kollegial überprüft werden kann.

Sie ist meistens nur eine persönliche Selbsttäuschung und ein großer Schwindel.

Sie ist das Resultat fehlender oder mißlungener Bildung durch philosophisches Denken

und durch den mühsamen Erwerb wissenschaftlicher Methoden der Forschung.

 

UWD

 

 

 

EZW-Newsletter 9/2021 v. 09.09.2021

 

Der Glaube an Paranormales geht zurück

 

Jahrelang galt es als ausgemacht, dass Esoterik und „Aberglaube“ in Deutschland zunähmen. Der Eindruck entsteht unter anderem, weil bestimmte „alternative Zugänge zur Wirklichkeit“ als Mainstream wahrgenommen und in den Medien entsprechend präsentiert werden. Dazu zählen zahlreiche alternativmedizinische Methoden, aber auch esoterische Inhalte in staatlichen Lehreinrichtungen wie Volkshochschulen und Universitäten und bisweilen sogar in kirchlichen Einrichtungen.

 

Nun zeigt sich, dass die Verbreitung des Glaubens an scheinwissenschaftliche und allgemein paranormale Vorstel-lungen eher im Rückgang begriffen ist. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die das Institut Kantar (früher EMNID)

im Frühjahr 2021 im Auftrag der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) durchgeführt hat. Darüber berichtet Inge Hüsgen in der GWUP-Zeitschrift „Der Skeptiker“ 2/2021.

 

Abgefragt wurden in Face-to-Face Interviews zehn Aussagen, die mit Zustimmung oder Ablehnung beantwortet werden konnten. Fast alle Zustimmungsraten lagen deutlich unter 50 %. Die Fragen im Wortlaut:

 

1. Homöopathie ist ebenso wirksam wie konventionelle Medizin, wenn nicht sogar besser. (Zustimmung 33 %)

 

2. Mit der Wünschelrute kann man Wasseradern oder Erdstrahlen feststellen. (43 %)

 

3. Es gibt Menschen, die hellseherische Fähigkeiten besitzen. (28 %)

 

4. Charaktereigenschaften werden von der Stellung der Sterne und Planeten bei der Geburt beeinflusst. (18 %)

 

5. Die von Elektrogeräten, Handymasten oder Stromleitungen ausgehende Strahlung ist gesundheitsschädlich. (56 %)

 

6. Ohne die Erweiterung um alternative Heilverfahren kann die moderne Medizin Patienten nicht wirklich helfen. (35 %)

 

7. Es gibt Menschen, die Gegenstände allein mit Gedankenkraft bewegen können. (9 %)

 

8. Außerirdische haben die Erde mit Raumschiffen bereits besucht oder besuchen sie noch immer. (6 %)

 

9. Spuk ist ein reales, auf Geister zurückgehendes Phänomen. (7 %)

 

10. Es gibt Menschen oder Orte, die durch Übertragung besonderer energetischer oder spiritueller Kräfte heilen können. (19 %)

 

Das bedeutet z.B., dass der Glaube an Wasseradern und Erdstrahlen zwar immer noch verbreitet ist, aber immerhin

20 Prozentpunkte unter den vor zwei Jahrzehnten von Chrismon gemessenen Werten liegt. Der Glaube an Ufos hat

sich etwa halbiert. Bildung, Alter, Beruf und politische Orientierung wirken sich kaum messbar aus. Gegenüber früheren ähnlichen Umfragen sind heute fast keine Ost-West-Unterschiede mehr feststellbar.

 

Zugenommen hat allein der Glaube an bzw. die Angst vor „Elektrosmog“ (laut Bundesamt für Strahlenschutz betraf

das 2019 nur 31 % der Menschen). Hier wirken sich möglicherweise in jüngerer Zeit sich verbreitende Verschwörungs-theorien im Zusammenhang mit dem G5-Mobilfunkstandard aus, der ansonsten eher aus politischen Gründen (Her-kunft aus China) abgelehnt wird.

 

Auffällig und unerwartet sind die niedrigen Werte für Alternativmedizin und Homöopathie. Die Resultate bestätigen jedoch die ähnlich niedrigen Werte einer Civey-Umfrage vom Juni 2021. Dort stimmten über 55 % der Aussage zu, Homöopathie sei weitgehend wirkungslos, nur 30 % sahen es anders. Die geringe Zustimmung ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass man kaum noch Ärzte findet, die nicht mindestens eines, meist mehrere der zahlreichen alternativ-medizinischen Verfahren anbieten (als Privatleistungen sind diese oft lukrativ). Nun darf man fragen: wenn nur ein Drittel der Bevölkerung daran glaubt – wie sieht es eigentlich bei den anbietenden Ärzten aus?

 

Die gemessene Zustimmung zu Alternativmedizin steht im Gegensatz zu deutlich höheren Werten, die die Anhänger und Hersteller homöopathischer und ähnlicher Produkte angeben. Laut GWUP liege das auch an der Fragestellung.

Bei einer Befragung der Deutschen Homöopathie-Union 2020 zum Beispiel gaben 55 % an, „schon einmal selbst Erfahrungen mit Homöopathie bzw. mit der Verwendung homöopathischer Arzneimittel gemacht“ zu haben. Wenn man das als Zustimmung zur Homöopathie zählt, werden sogar Menschen eingerechnet, die ohne ihre Zustimmung oder als Kind Globuli verabreicht bekamen. Ob die Betreffenden an die Wirksamkeit glauben, bleibt dabei offen –

was in der Darstellung alternativmedizinischer Lobbyisten gerne untergeht.

 

Ein totaler Sieg des Rationalismus steht trotzdem nicht bevor. Von den 2009 Befragten der GWUP-Umfrage stimmten

92 % mindestens einem der zehn paranormalen Phänomene zu.

 

Dr. Kai Funkschmidt

 

 

Links und Literatur:

 

EMNID 2001: UFOs, Astrologie, moderne Mythen. Der Glaube an Phänomene, die nicht bewiesen sind, ist weit verbreitet, Chrismon 6/2001 p.10.

 

https://blog.gwup.net/2021/06/24/der-glaube-an-das-paranormale-eine-umfrage-der-gwup/ (GWUP Umfrage). (Abgerufen am 07.09.21).

 

https://naturheilkunde-kompakt.de/2020/03/19/homoeopathie-verwenderschaft-gleichbleibend-hoch/ (Homöopathie-Umfrage). (Abgerufen am 07.09.21).

 

https://twitter.com/homeopathy_inh/status/1405018577430843393 (Civey-Umfrage) (Abgerufen am 07.09.21).

 

Abb. Quelle: Pixabay/Bru-nO